Entwerfen

Experiment und Alltag

„Immer wieder komme ich zu dem Schluß, daß es grotesk ist, daß wir immer noch wie vor 60 oder 70 Jahren abgeschlossene Ein-, Zwei-, Drei-, Vierzimmerwohnungen bauen, obwohl sich das Leben in den vergangenen Jahrzehnten so ungeheuer verändert hat. Eine der größten Veränderungen, die sich im Wohnbau niederschlagen muß, ist die allgemeine Berufstätigkeit der Frauen. Diese Tatsache verlangt aber völlig neue Lösungen. Wir Architekten haben deshalb die verflixte Pflicht und Schuldigkeit, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, was im Wohnbau getan werden muß, um den Frauen und Männern das Leben zu erleichtern […].“ [1]

Diese Aussage Margarete Schütte-Lihotzkys ist fast dreißig Jahre später so aktuell wie dringlich. Vorreiterin in so vielem, hat sie in unterschiedlichsten Positionen und Orten vor nunmehr 100 Jahren als Architektin am großen Experiment der früher Moderne mitgewirkt.
Die enormen gesellschaftlichen Umbrüche der Zwischenkriegszeit bringen fortschrittliche Architekt:innen dazu, Bauaufgaben zu hinterfragen und sie neu zu definieren. Dies, im Zusammenhang mit der Not großer Teile der Bevölkerung, bringt eine neue Bauaufgabe hervor: den „sozialen Wohnbau“
Das erklärte Ziel der Architekt:innen ist es, das Leben der Menschen zu verbessern. Grundlage der Arbeit bilden die exakte Analyse der Arbeiter:innenschaft sowie der Umgang mit extrem beschränkten finanziellen Mitteln. Bei gleichbleibenden Bedingungen werden unterschiedliche Strategien erprobt.

Ein Jahrhundert später sehen wir uns mit vielfältigen Fragestellungen konfrontiert. Wohnbau muss heute nicht nur auf bereits reale gesellschaftliche Veränderungen reagieren, die in großen Teilen des Wohnungsbestandes nicht abgebildet sind. Vielmehr verlangt die Beschäftigung mit der Produktion von Wohnraum, die Herausforderungen der nahen Zukunft zuerst zu benennen und dann Lösungsstrategien zu entwickeln.
Anhand von Magarete Schütte-Lihotzkys Werk – als Vertreterin der modernen Bewegung – wollen wir die Herangehensweise, die Werkzeuge, die Strategien der Bewegung untersuchen, die so viel Innovation hervorgebracht hat, um in weiterer Folge das Experiment zu wagen, diese mit aktuellen Fragestellungen zu überlagern.

[1] In: Margarete Schütte-Lihotzky. Soziale Architektur - Zeitzeugin eines Jahrhunderts. Renate Allmayer-Beck, Susanne Baumgartner-Haindl, Marion Lindner-Gross und Christine Zwingl. Wien: Böhlau. S.14

Bild: Magarete Schütte-Lihotzky © Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv, Nachlass Magarete Schütte-Lihotzky, Inv.Nr 34/11

Lehrbeauftragte
253.M20
8.0h, 10 ECTS
Ort
Projektraum WB
Termine
Do 09:00-14:00
Anmeldung
via TISS Pool Bewerbung
Leistungsnachweis
Der Leistungsnachweis erfolgt über aktive Teilnahme an der Analysephase, Diskussionsbeiträge in den gemeinsamen Entwurfsbesprechungen und die Schlusspräsentation mit (multimedialer) Projektdokumentation und Modell.